Lieber Stefan,
Du nudgest mich für einen weiteren «gefährliche Metaphern-Liste»-Vorschlag:
Energie- und Ressourceneffizienz. :-)
Der Energieeffizienz-Diskurs ist nicht Widerpart zum Wachstumskarussell, sondern die legitimatorische Grundlage seiner rhetorischen Erneuerung. Durch Rebound-Effekte geht Energie- und Ressourceneffizienz in aktuellen, Wachstum erzwingenden Strukturen oft nach hinten los. Dies zeigt sich bei vielen sogenannten technischen Innovationen, wird aber ungern berücksichtigt. Aus Marketinglogiken betrifft diese Dethematisierung von Rebound-Effekten den Energie- und Ressourceneffizienz-Diskurs im Besonderen. Das Elektroauto ist ein hervorstechendes Beispiel für dieses Phänomen. Zudem lösen, nebst der – nicht nur durch Rebound-Effekte – zweifelhaften Ökobilanz von Elektroautos für sich genommen, Elektroautos kein einziges Problem des «System Auto».
Der aktuelle Energie- und Ressourceneffizienz-Diskurs ist ebenso technikdeterministisch wie andere Technikgläubigkeit. Und ausserdem zumindest unterschwellig teleologisch, was er sich mit Wachstumsdenken teilt.
Es geht nicht um «gegen oder für Technik», es geht überhaupt nicht um Technik. Wir werden auch in Zukunft Technik nutzen und wir werden Geräte und Systeme Energie und Ressourcen effizienter gestalten (müssen). Was wir der Steuerung durch Maschinen überlassen und was nicht, und wie stark oder wie wenig wir uns von Maschinen überwachen lassen wollen, ist im Rahmen der gesellschaftlichen Produktivkräfte keine technische Frage. Ob wir SUV-Fahren für ein unverbrüchliches Menschenrecht halten, hat nichts mit Technik zu tun. Welche Technik wir weiterentwickeln und welche nicht ist eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung. Es geht um gesellschaftliche Definitionsmacht, Verfügung über und Zugangsverwehrung zu materiellen und ideellen Ressourcen, um Formen und Inhalte von Anerkennungsprozessen.
In technikdeterministischen Positionen versteckt sich die normative Position hinter einer technischen Argumentation und hat die Tendenz eine Diskursform der Sachzwang-Logik zu induzieren. Unterschwellig geht damit ein Anspruch auf gesellschaftliche Definitionsmacht einher, der demokratisch schwer zu rechtfertigen sein dürfte. Wer schon etwas länger «im Geschäft» ist, weiss inzwischen, wie überzogen die mit Hypes einhergehenden Prognosen jedes Mal sind. Die Dynamik von Hypes verspricht den Hyper*innen Definitionsmacht, die sich nach dem Hype in der Sache kaum je als gerechtfertigt erweist. [1]
An Technikgläubigkeit ist nicht der Teil «Technik» fragwürdig, sondern dass Technik in spezifisch einseitiger Weise mit einer Lebensweise und einem Weltbild verknüpft wird. Der Energie- und Ressourceneffizienz-Diskurs ist tief in diese Logik verstrickt. Ein erster Schritt wäre ein weniger identitätsstiftender Umgang mit Technik.
So, muss weiter, meinen Interlis-Import überprüfen.
Nein, Interlis ist nichts für die Liste. ;-)
[1] Ein «gutes» Beispiel ist Chris Anderson: Seine erkenntnistheoretisch geradezu lächerlich verkürzten Vorstellungen ([
www.wired.com/2008/06/pb-theory]) konnten innerhalb des KI- und Big Data-Hypes erhebliche Strahlkraft entfalten. Kaum ein Artikel über KI und Big Data aus den Medienwissenschaften in den letzten zehn Jahren, der Andersons Aufsatz – wenn auch oft widersprechend – nicht zitiert.
Der letzte Satz in Andersons Aufsatz lautet: «Es ist höchste Zeit zu fragen, was wir von Google lernen können.» Wenn das kein Wasserträger unverhohlener Ansprüche auf Definitionsmacht ist, wie die Welt besser werde, komme ich in Kaisers neuen Kleidern ans nächste Spirgarten-Treffen.